Großprojekt im Stillstand: Wie ein chinesisch-deutscher Wirtschaftstraum im Hunsrück zerbröckelte

Was einst als Leuchtturmprojekt für die deutsch-chinesische Handelsbeziehung im Herzen des Hunsrücks gedacht war, liegt heute brach – gezeichnet von offenen Rechnungen, gescheiterten Existenzen und geplatzten Versprechen.
Veröffentlicht am 25. April 2025

Was einst als Leuchtturmprojekt für die deutsch-chinesische Handelsbeziehung im Herzen des Hunsrücks gedacht war, liegt heute brach – gezeichnet von offenen Rechnungen, gescheiterten Existenzen und geplatzten Versprechen. Der Oak Garden bei Hoppstädten-Weiersbach sollte ein florierender Handelsplatz werden. Stattdessen beschäftigen Insolvenzen, Gerichtstermine und ausbleibende Zahlungen heute die Behörden. Die Spuren des Scheiterns führen tief in ein Dickicht aus Firmenkonstrukten, Sprachbarrieren und wirtschaftlichen Trümmern.

Eine Vision im Aufbruch – und ihr jäher Stillstand

Als der Unternehmer Andreas Scholz vor acht Jahren seine Pläne präsentierte, waren die Erwartungen hoch: Ein drei Hektar großer Handelsstandort mit bis zu 500 chinesisch geführten Firmen, 18 Bürogebäuden und internationalen Geschäftsbeziehungen. Lebensmittel, Maschinen, medizinische Produkte – hier sollte alles fließen. Doch mit der Corona-Pandemie kam der Bruch. Investoren zogen sich zurück, Projekte wurden abgebrochen.

Baustellen statt Büros: Der verwaiste Oak Garden

Tatsächlich entstanden bis heute nur zwei der geplanten 18 Gebäude. Ein weiteres steht seit Jahren im Rohbau. Wo einst Lagerhallen und Freizeitflächen geplant waren, herrscht heute Stillstand. Die große Zahl angemeldeter Firmen schrumpfte drastisch – fast ein Viertel hat bereits wieder aufgegeben. Zurück blieben unvollendete Pläne und ein Schuldenberg.

Insolvenzverwalterin ermittelt im wirtschaftlichen Nebel

Anne-Marie Dhonau, zuständig für mehrere Verfahren im Oak Garden, spricht von Ermittlungsarbeit mit Hindernissen: Keine aktuellen Buchhaltungsunterlagen, kaum erreichbare Geschäftsführer, Sprachprobleme bei seltenen persönlichen Treffen. „Ich fühle mich manchmal wie eine Detektivin“, sagt sie – und meint damit nicht nur den Papierkrieg, sondern auch die mühsame Suche nach den Verantwortlichen.

Offene Rechnungen und Zwangsversteigerungen

Nicht nur Firmeninsolvenzen treiben die Schulden nach oben. Auch im privaten Bereich türmen sich offene Hausgelder. Hausverwalter Johannes Kiefer musste seine Tätigkeit in mehreren Gebäuden aufgeben, weil chinesische Eigentümer ihre Pflichten nicht mehr erfüllten. Die Folge: Zwangsversteigerungen von Wohnungen und Geschäftsräumen. Neun solcher Verfahren stehen in der Region derzeit an.

Ermittlungen wegen Insolvenzverschleppung

Die Justiz ist alarmiert. Die Staatsanwaltschaft Koblenz untersucht mehrere Fälle, bei denen Insolvenzverfahren nicht von den Unternehmen selbst, sondern durch Gläubiger angestoßen wurden. Der Verdacht: Insolvenzverschleppung. Ein schwerwiegender Vorwurf, der sich meist dann erhärtet, wenn Sozialbeiträge oder Steuerzahlungen über Wochen ausbleiben.

Zwischen Hoffnung und Realität: Wie es weitergehen soll

Trotz der Missstände gibt es Stimmen, die den Oak Garden noch nicht abschreiben. Unternehmensberater Xiao Liang setzt weiterhin auf das Potenzial des Standorts. Auch Projektinitiator Scholz betont, man habe sich neu aufgestellt und sehe Licht am Ende des Tunnels. Doch der Optimismus steht im Kontrast zur Realität vor Ort – mit leerstehenden Gebäuden, laufenden Gerichtsverfahren und einer wachsenden Zahl enttäuschter Beteiligter.

Politische Reaktionen: Ernüchterung statt Euphorie

Landrat Miroslaw Kowalski zeigt sich betroffen, verweist aber auf eine generelle Zunahme von Unternehmensinsolvenzen bundesweit. Die Hoffnung auf wirtschaftlichen Aufschwung im ländlichen Raum sei nicht erfüllt worden. Auch Ex-Bürgermeister Bernhard Alscher sieht im gescheiterten Projekt eine vertane Chance – für Arbeitsplätze, für Kaufkraft, für die Region.



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